Jugendkunstpreis für die Werkstatt "Hoch hinaus"

Georg Kakelbeck, Kursleiter, schreibt über die Werkstatt für Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 7/8:

„Hoch hinaus – wer will das nicht? Groß werden, größer als andere zu sein, so groß wie ein Erwachsener zu sein, Größe bedeutet doch auch Macht, Herausragen aus der Menge…

Insbesondere das Prinzip Hochhaus funktioniert nach dieser Idee, ein Zeichen zu setzen, ein repräsentatives Machtsymbol im Wettstreit des Kapitals und der architektonischen Innovation zu errichten. Die bisherige Rekordhöhe gilt es zu übertrumpfen, um eine Zeit lang als Primus alles überragend im Kampf um das Wachstum zu herrschen. Wettstreit, Prunksucht und das Streben nach unvergänglicher, das eigene Leben überdauernde Bedeutung sind sehr menschliche Eigenschaften, die sich im Bau von Wolkenkratzern manifestieren. 

Es scheinen aber doch eher männliche Eigenschaften zu sein, wie sich in der Werkstatt beobachten lies. Denn nur bei den Jungen der Werkstatt gab es tatsächlich das Bestreben, die Höhe des Bauwerks weiter aufzurüsten, um im Vergleich das höchste Bauwerk sein eigen zu nennen. 

Ausgangspunkt für die Werkstatt war eine Möbellieferung an unsere Schule, bei der als Verpackungsmaterial zahlreiche „Säulen“ aus Wabenpappe anfielen. Da ich gerade von den amerikanischen Holzmodellhäusern von William Christenberry begeistert war und ich einige Westernhäuser als Modelle aus dem Wahlkurs der 10. Klasse als Anschauungsmaterial bereit hatte, war die Entscheidung gefallen. Eine Westernstadt ergibt übereinandergestapelt auch ein Hochhaus… Diese Vision lies sich in vier Tagen freilich kaum realisieren, daher stellte ich es von Anfang an frei, welche architektonische Ausrichtung das Gebäude nehmen kann: Holzhäuser, Moderne, Science-Fiction-Utopien, ökologische Inspirationen oder Wohlfühlidyllen. Schließlich sollen sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch in ihren eigenen Ideen verwirklichen können. 

Als ich dann als Einstieg die Modelle der Westernhäuser präsentierte, wollten zunächst fast alle einen Saloon bauen. Doch schon nach einer Stunde zeigte sich, dass sich alle in einer Orientierungsphase befanden und individuelle Ansätze entwickelten. Das Amazonas-Hochhaus ruht auf einer Holzsteg-Konstruktion wegen der Überschwemmungen und ist ganz aus Holz erbaut und mit Planen bespannt. Beim Nachbarn entsteht ein futuristisches Hochhaus, dass von einer Magnetbahn umgeben ist. Ein Haus weiter hat ein sehr bemerkenswertes Wellnessparadies auf dem Dach, daneben entsteht ein ganzes Viertel aus Wohnhäusern. Auch wird bis zuletzt an einem baumhausartigen Hochhaus gewerkelt, das über zahlreiche Treppen, eine Hollywoodschaukel und verschiedene Wohnbereiche verfügt. Das Neubaugebiet umfasst auch mehrere zukunftsweisende Wohn-Hochhäuser, deren Terrassen in luftiger Höhe einen reizvollen Ausblick bieten. Es gibt aber auch Bedrohliches: In einem schwarzen Gebäude hausen alle Arten von Geistern und zwei Wolkenkratzer entstammen einer außerirdischen Zivilisation, von deren Untergang die ausgebrannten Ruinen mit Einschusslöchern zeugen. 

Kontinuierlich entstehen auch Ideen für die Ausgestaltung der Gebäude mit Details und für die Gestaltung der umgebenden Landschaft. Zur Entlastung des Arbeitsaufwandes müssen die Häuser nicht aus Flachpappe konstruiert werden. Eine jahrelang aufgebaute Sammlung von Schachteln dient als Fundus für diverse Wohnkörper. Auch meine Sammlung von Plastikdeckeln  steht den Baumeister*innen zur Verfügung. Die Architekt*innen zeichnen Fenster auf Papier, die dann kopiert, ausgeschnitten und fachmännisch eingesetzt werden. Zur Unterstützung des Angebotes an Holzstäben habe ich meine Familie im Sommer zum umfangreichen Verzehr von Eis am Stiel überreden müssen, damit wir schöne Holzstiele für die Hausverkleidungen erhalten.

Selten habe ich eine Werkstatt erlebt, in der so fleißig und konzentriert gearbeitet, auf Pausen verzichtet, mit Betreten des Raumes sich auf die Arbeit gestürzt wurde und daheim Bauteile vorgearbeitet wurden. Und für Berlin war es eine Sternstunde, dass im vorgeplanten Zeitplan ein so ambitioniertes Architekturprojekt ohne Überziehung des Budgets fertiggestellt werden konnte und nun der Öffentlichkeit übergeben werden kann…“